Zum §13 Abs. 7 Satz 2 BMV-Ä: Behandlung bei „akuter Behandlungsdürftigkeit“

Gemäß dem o.g. Paragraphen im BMV-Ä (Bundesmantelvertrag für Ärzte seit 1.1.15) darf der Arzt „bei akuter Behandlungsdürftigkeit“ die Behandlung nicht ablehnen.

Ich weise explizit darauf hin, weil

  1. auf der Homepage von http://www.notdienstpraxis-oldenburg.de (Abruf: 3.10.2015) fälschlicherweise behauptet wird, dass „ausschließlich“ die eGK (elektronische Gesundheitskarte) gelte und gesetzlich Versicherte nur bei Vorlage der eGK behandelt werden können und
  2. gemäß §13 Abs. 1 BMV-Ä eine Privatrechnung nur dann ausgestellt werden kann, wenn der Versicherte sich gemäß §13 Abs. 1 BMV-Ä nicht ausweisen kann. In Abs. 1 werden sowohl die eGK als auch der „Anspruchsnachweis“ genannt
  3. ich am 13.06.2015 diese Notdienstpraxis aufgrund akuter Rückenschmerzen aufsuchen musste und die Sprechstundenhilfe fälschlicherweise behauptete, sie müssten mich gar nicht behandeln, da ich nur eine gültige Ersatzbescheinigung vorgelegt habe. Unter immensen Schmerzen musste ich eine Diskussion darüber führen, dass gemäß BMV-Ä auch die Ersatzbescheinigung als Nachweis der Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung genüge.

Davon abgesehen gilt: Wer voll beitragspflichtig ist, ist auch voll anspruchsberechtigt – unabhängig von der Hardware und vom BMV-Ä! Grundlegend ist immer noch SGB V. In §11 SGB V ist eindeutig geregelt, dass (entgegen §13 Abs. 7 Satz 2 BMV-Ä) jeder Versicherter Anspruch auf die dort aufgelisteten Leistungen hat, die sich eben nicht nur auf den Notfall beschränken. Zudem regelt §75 Abs. 1 SGB V, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenärztlichen Bundesvereinigungen „die vertragsärztliche Versorgung“ sicherstellen müssen und diese beschränkt sich eben nicht nur auf den „Notdienst“. 

So stellt es auch Ingrid Fischbach, die parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, auf Nachfrage von Kathrin Vogler (die Linken) klar:

„Es ist eindeutig, dass damit [mit dem Papiernachweis] alle Leistungen zur Verfügung gestellt werden, die auch sonst von der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung gestellt werden müssen. […] Der Fall, den Sie [Kathrin Vogler] nennen, dass Patienten, die jetzt mit einem Papiernachweis in die Praxis kommen, nicht behandelt werden, entspricht nicht der gesetzlichen Grundlage. Es ist klar, dass in Ausnahmefällen, wenn die elektronische Gesundheitskarte nicht vorliegt, auf Grundlage eines Papiernachweises behandelt werden muss.“ (Quelle: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/81 vom 28.01.15: S. 7713; Protokoll des Deutschen Bundestages – Abruf: 10.10.15)

Nachdem meine Rückenschmerzen abgeklungen waren, habe ich mich am 28.06.15 bei der Ärztekammer beschwert, die meine Beschwerde an die Notdienstpraxis OL weiterleitete. Da diese sämtliche Schuld von sich wies und auf der Homepage immer noch der o.g. Hinweis, dass nur noch die eGK gelte, steht, habe ich mich am 3.10.15 erneut an die Ärztekammer und zusätzlich an die KVN (Kassenärztlichen Vereinigung Nds.) gewandt. Das Ergebnis: Alle mauern, geben nichts zu, helfen den Patienten nicht.

Ergo: Wenn ein Arzt die Behandlung verweigert, legen Sie die o.g. Gesetzestexte (§11 SGB V: Auflistung der Leistungen, §15 SGB V: Krankenversichertenkarte oder ein Krankenschein berechtigen zum Anspruch von Leistungen, nicht die eGK) und auch den Ausschnitt aus dem Plenarprotokoll vor. Am besten drucken Sie alles jetzt aus und markieren die wichtigen Passagen. Genügt dies nicht, drohen Sie mit unterlassener Hilfeleistung und melden Sie den Fall der KVN: www.kvn.de/Patientenbeschwerden (Abruf: 5.11.15). Aber auch bei der KVN müssen Sie Druck ausüben! Die werden Sie erst abwimmeln (freie Arztwahl, freie Patientenwahl). Legen Sie dar, dass die KVN die ärztliche Versorgung gemäß §75 SGB V sicherstellen muss und dass eGK-Verweigerer Anspruch auf Leistung haben (s.o. Argumentation).

Nachtrag: Am 29.10.2015 teilte mir die Ärztekammer Nds. mit, dass sie dafür zuständig sei, wenn ein Arzt die Behandlung verweigert. In dem Fall solle man bei ihr schriftlich eine Beschwerde einreichen: www.aekn.de/Ansprechpartner (Abruf: 29.10.2015). Am besten reichen Sie Ihre Beschwerde sowohl bei der KVN als auch bei der Ärztekammer ein. Über Rückmeldungen wäre ich Ihnen dankbar.

Hintergrund:

Ich lehne die eGK ab, weil ich zum einen kein Foto einreichen möchte und zum anderen der Datenweitergabe an die Gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH) widerspreche. Vor allem ist die Datenweitergabe, die zwar gemäß §291b SGB V legitimiert ist, im Hinblick auf mein Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie §203 StGB (Strafgesetzbuch) „Verletzung von Privatgeheimnissen“ kritisch zu betrachten (s. Blog Mein Umgang mit dem eGK-Zwang).

Weitere Informationen finden Sie hier:

http://www.stoppt-die-e-card.de

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